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Titel
Heimliche Freunde. Die Beziehungen Österreichs zu den Diktaturen Südeuropas nach 1945: Spanien, Portugal, Griechenland


Autor(en)
Müller, Stefan; Schriffl, David; Skordos, Adamantios
Reihe
Schriftenreihe des Forschungsinstitutes für politisch-historische Studien der Dr.-Wilfried-Haslauer-Bibliothek 54
Erschienen
Anzahl Seiten
331 S.
Preis
€ 40,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Karl Kaser, Südosteuropäische Geschichte und Anthropologie, Universität Graz

In den Jahren von 1974 bis 1976 wurden die drei letzten nichtkommunistischen diktatorischen Regimes Europas beendet. In Portugal war bereits im Jahr 1926 die demokratische Ordnung durch einen Militärputsch beseitigt worden. In Spanien hatte sich 1939 General Franco nach einem dreijährigen blutigen Bürgerkrieg gegen die vereinigten linken Kräfte durchgesetzt. Damals 47 Jahre alt, sollte er bis zu seinem Tod im Jahr 1975 regieren. In Griechenland stürzte eine Verschwörungsgruppe innerhalb der Armee 1967 die labile demokratische Ordnung. Dieses Obristenregime konnte sich vergleichsweise nur kurz, nämlich bis 1974, an der Macht halten. Den drei Regimes war gemeinsam, dass sie außerordentlich gewaltsam gegen jegliche Opposition vorgingen, um sich an der Macht halten zu können, und dass ihre Ablöse relativ gewaltfrei erfolgte.

Dies ist kurz skizziert der Hintergrund, vor dem die drei Autoren die Ergebnisse eines vom Zukunftsfonds der Republik Österreich unterstützten Forschungsprojekts in Buchform präsentieren. Der freie Historiker und Redakteur für den Österreichteil der ZEIT, Stefan A. Müller, verfasste den Abschnitt über Spanien, David Schriffl, Mitarbeiter des Instituts für Neuzeit- und Zeitgeschichtsforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, zeichnet für den Abschnitt über Portugal und Adamantios T. Skordos, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Geisteswissenschaftlichen Zentrum Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas an der Universität Leipzig, für den Griechenlandteil verantwortlich.

Es muss betont werden, dass die diplomatischen, aber auch die wirtschaftlichen Beziehungen Österreichs zu keinem dieser drei Länder in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg von besonderer Bedeutung waren. Es stellt sich daher die Frage, weshalb das neu erstandene, demokratische Österreich diplomatische Beziehungen zu den Militärdiktaturen Spanien und Portugal aufnahm (mit Griechenland nahm man solche noch in Zeiten vor dem Obristenputsch auf). Die Autoren führen dies im Wesentlichen auf zwei Faktoren zurück: erstens den Antikommunismus, den Österreich und die beiden Diktaturen miteinander teilten, und zweitens, dass Österreich von 1934 bis 1945 selbst diktatorisch regiert worden war. Das Land „hatte dadurch eine faschistische Prägung erfahren, die nach 1945 in mancherlei Hinsicht nachwirkte“ (S. 13). Im österreichischen Außenministerium konnten vergleichsweise viele ehemalige Nationalsozialisten und Mitläufer Karriere machen. Im Falle von Spanien und Portugal kamen als relevante Faktoren noch der Katholizismus sowie eine Phase gemeinsamer, frühneuzeitlicher Geschichte als Solidaritätsfaktoren hinzu. Nach der Lektüre der drei Texte ist der Schluss naheliegend, dass die Beziehungen Österreichs mit Portugal und Spanien wesentlich mehr Ähnlichkeiten aufwiesen als jene mit dem orthodoxen Griechenland. Auch der Titel „Heimliche Freunde“ kann wohl nicht auf Griechenland bezogen werden, denn die Beziehungen mit der Junta waren unter der maßgeblichen Gestaltung des österreichischen Botschafters in Athen, Ludwig Steiner, zwar korrekt, aber kühl – eine heimliche Freundschaft kam nicht auf. Die Besuchsdiplomatie, die Österreich zuließ, erschöpfte sich im kurzen und in der österreichischen Öffentlichkeit geheim gehaltenen Empfang eines stellvertretenden griechischen Ministers. „Heimliche Freunde“ bezieht sich daher auf den vor der sowjetischen Besatzungsmacht geheim gehaltenen Beziehungsaufbau mit den beiden iberischen Militärdiktaturen.

Die drei Beiträge des Bandes weisen analoge Aufbaustrukturen auf, sind mit etwa jeweils einhundert Seiten ähnlich lang und bauen unter anderem auf bislang unbearbeitetem Quellenmaterial auf, das im österreichischen Außenministerium gelagert wird und, aus welchen Gründen auch immer, nicht seinen Weg in das Verwaltungsarchiv gefunden hat. Zu den Gemeinsamkeiten der drei Buchbeiträge gehört, dass sie keine expliziten theoretischen Ambitionen erkennen lassen und daher sehr empiriebetont ausgefallen sind. Das Vergnügen der Autoren, bislang unbekannte Details österreichischer Außenpolitik der Öffentlichkeit vorstellen zu können, ist allen drei Beiträgen abzulesen. Eine letzte wesentliche Gemeinsamkeit besteht darin, dass die Autoren im Wesentlichen das Aktenmaterial der österreichischen Seite und nicht der jeweiligen Gegenseite berücksichtigen. Dies ist, denke ich, ausreichend dadurch begründet, dass die drei Autoren die Beziehungen Österreichs zu den drei Diktaturen und nicht auch umgekehrt, deren Beziehungen zu Österreich, darzustellen gedachten. Dass allerdings das Eine ohne das Andere vielfach nicht möglich ist, zeigen zahlreiche Textstellen.

Zwischen Österreich und Spanien durfte es, wenngleich von beiden Seiten erwünscht, aufgrund des sowjetischen Vetos bis 1955, als die vier Besatzungsmächte Österreich verließen, keine offiziellen Beziehungen und Vertretungen geben. Die Beziehungen bis dahin waren daher informeller Natur: ein Urenkel Kaiser Franz Josephs, der mit Franco auf die Jagd zu gehen pflegte, oder ehemalige Nationalsozialisten mit guten Kontakten, die Wirtschaftsbeziehungen zwischen den beiden Ländern aufbauten, sowie das reaktionäre Dach des Europäischen Dokumentationszentrums CEDI, das Otto Habsburg mit spanischen Regimefunktionären gegründet hatte. Müller konstatiert auch katholisch-konservative und antikommunistische Impulse in der österreichischen Diplomatie sowie eine unreflektierte Freundschaft zu einem Land, mit dem man – vor langer Zeit – historisch verbunden gewesen war. Es waren diese Kräfte, die auf die sofortige Aufnahme diplomatischer Beziehungen drängten, als dies formal möglich wurde. Die SPÖ stimmte dem allerdings erst nach einem symbolischen Akt, nämlich der Freilassung des Ex-KP-Funktionärs und Spanienkämpfers Josef Orlitsch, der im Gefängnis von Burgos eingesessen hatte, zu. Der Autor kommt zu dem Schluss, dass die „Beziehungen zwischen Österreich und Spanien nach 1945 […] weder konfliktiv noch besonders inhaltsreich“ (S. 115) waren.

Auch was die österreichischen Beziehungen zum portugiesischen Salazar-Regime anlangt, standen ähnliche Kräfte hinter ihrer Entfaltung. Aber auch in diesem Fall lehnte die Sowjetunion einen 1948 gestellten Antrag zu deren Formalisierung ab. Nichtsdestotrotz gelang es Österreich 1949 über seine Gesandtschaft in Paris Beziehungen auf niedrigem Niveau mit dem diktatorisch regierten Land herzustellen. Auf der internationalen Bühne stellte sich die österreichische Diplomatie, wo sie nur konnte, hinter Portugal und seine Kolonialpolitik. Das Verständnis für die paternalistische bis rassistische portugiesische Kolonialpolitik war insbesondere unter dem ÖVP-Außenminister Lujo Tončić-Sorinj (1966–1968) stark ausgeprägt.

Die Ausführungen des Verfassers über die österreichisch-griechischen Beziehungen befassen sich beinahe ausschließlich auf die Amtszeit des österreichischen Botschafters in Athen, Ludwig Steiner (1964–1972), bzw. auf seine Tätigkeit ab dem Obristenputsch im April 1967, der für Steiner völlig überraschend kam. Skordos kann sich dabei auf dessen detailreichen Berichte nach Wien stützen. Im Unterschied zu den ‚alten‘ Diktaturen Spanien und Portugal bestand in Österreich eine kritische Öffentlichkeit, was die österreichischen Beziehungen zur Militärjunta in Athen anlangte, die von der griechischen Diaspora und der österreichischen Linken geschürt wurde. Der Autor kommt zu dem Schluss, dass die österreichische Außenpolitik gegenüber Griechenland widersprüchlich war. So etwa versuchte Österreich einerseits den Ausschluss Griechenlands aus dem Europarat wegen schwerwiegender Menschenrechtsverletzungen zu verhindern, andererseits stellte das Außenministerium die Besuchsdiplomatie jedoch beinahe völlig ein und erlaubte Exilgriechen ihren Kampf gegen das Obristenregime auch auf österreichischen Boden zu führen.

Aus der Lektüre der drei Texte könnte man schließen, dass Außenpolitik ein erschreckend pragmatisches Politikfeld darstellt. Dass dies nicht völlig der Fall ist, schimmert zwischen den Zeilen immer wieder durch. Obwohl Bruno Kreisky als Staatssekretär im Außenministerium und als Außenminister (1951–1966) Pragmatik walten ließ oder aufgrund der politischen Verhältnisse walten lassen musste, setzte er als Bundeskanzler ab 1970 wesentliche Akzente in der Unterstützung von Oppositionsbewegungen und im Übergang zu demokratischen Verhältnissen in den drei Ländern (und darüber hinaus). Wer sich also für den Zusammenhang zwischen politischer Ideologie und österreichischer Außenpolitik interessiert, sollte zu diesem Buch greifen.

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